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HP 85046A - S-Parameter Test Set





Seit mehreren Jahren habe ich einen HP 8753C VNA bis 3GHz im Labor. Dazu habe ich mir, sobald sich die Gelegenheit bot, ein HP 85046A S-Parameter Testset besorgt. Ohne dem sind die Messungen zwar möglich, aber nur indem man sich die Meßbrücke extern selber baut. Nach einiger Zeit bemerkte ich jedoch ein Problem. Nach erfolgter Kalibration sah die Messkurve irgendwie komisch aus. Wenn man nach dem Kalibrieren den Thru-Standard als DUT anklemmt, muss man eine horizontale Linie bei 0dB Einfügedämpfung sehen, ansonsten ist etwas morsch.




So sieht der Meinung des VNAs nach der s21 (Einfügedämpfung) eines Thru-Standards nach erfolger Kalibrierung aus



Auf dem Bild erkennt man gut den eklatanten Abfall zu tiefen Frequenzen hin. Das spricht grundsätzlich mal für einen Kontaktfehler bei dem dann nur die Kapazität über die Trennstelle durchkoppelt.
Ein VNA funktioniert folgendermaßen: Er hat vier Anschlüsse. RF-OUT, R, A und B. Bei RF-OUT kommt das Wobbelsignal raus. In R wird das RF Signal als Referenz eingespeist. Nun geht das Signal durch einen Richtkoppler zum DUT. Die reflektierte Leistung kommt nach A und die Durchgangsleistung vom DUT nach B. Diese Signale werden mit Magnitude und Phase gemessen, daher der Name Vektorieller Netzwerkanalyzer. Dadurch kann das DUT charakterisiert werden.
Im Testset sind die Bausteine wie Richtkoppler, Abschwächer, Teiler und Transferrelais enthalten. Letzteres ist für den beobachteten Fehler verantwortlich. Da man ja 2-Port Messungen machen kann, also s11, s12, s21 und s22, intern der Pfad umschaltbar sein, um ohne umstecken alle 4 Parameter messen zu können. Das übernimmt das erwähnte Relais. Es handelt sich dabei um ein HP 5081-8178 SPDT Relais. Der jeweils offene Ausgang/Eingang wird intern auf 50R gelegt.

Diese Relais sind dafür bekannt, nach etlichen Jahren Kontaktprobleme zu entwickeln. Nach einem Test mit einem aus einzelteilen zusammengebastelten T/R Testset habe ich mich entschieden, eine Überholung zu versuchen.

T/R Testset bestehend aus Splitter und Richtkoppler. Damit hat der VNA das oben beschriebene Verhalten nicht gezeigt. Somit ist der Nachweis erbracht, dass der Fehler im Testset liegt.



So viel umbaute Luft für so viel Geld verkaufen zu können... Wer wünscht sich das nicht?



Das Corpus Delicti in all seiner (noch verschraubten) Pracht



Nach dem Entfernen der äußeren Hülle. Die 3 Lötpfosten kontaktieren innen per Federkraft als Pogo-Pin auf die PCB



Relais mit abgenommenen Deckel. ACHTUNG: Die Abschlusswiderstände sind zwei sehr empfindliche Dünnfilmbauteile die zwischen den 2 Halbschalen stecken. Es ist absolute Vorsicht nötig, damit diese beim Zerlegen nicht beschädigt werden



Ein Widerstand im Detai. Die Kontaktzunge des Relais geht auf die Goldfläche in der Mitte. Die 3 Finger nach oben und unten sind vermutlich die Widerstandselemente die somit symmetrisch auf GND gehen



Die Mechanik des Relais. Durch die Stössel, Federn und Hebel wird die Schaltsequenz erzeugt



Ein ausgebauter Kontakt. Die kleine Halbkreisförmige Stelle ist der etwas verschlissene Kontaktbereich.



Nun habe ich die Kontaktzungen und die Flächen an den SMA Buchsen wo diese Auftreffen mit Tuner 600 Spray gereinigt. Aufgrund der filigranen Teile und der doch nicht so geringen Grenzfrequenz des Relais, muss man dabei äußerste Sorgfalt walten lassen. Danach wurde der Apparat wieder zusammengebaut, was ebenfalls ein paar Kniffe erfordert. Ich habe das Relais in einer Mittelstellung fixiert indem ich zwischen dem Anker und der Spule jeweils einen dickeren Karton reinsteckte. Dadurch konnte ich die Blattfedern einfacher wieder einhängen. Aber der Hauptgrund dafür ist, dass dann keine der Kontaktzungen auf Endstellung liegt. Dadurch kann dann beim Zusammenbau der Oberteil mit den 50R Saphirplättchen aufgesteckt werden und die Kontaktzungen liegen dann auf der Richtigen Seite der Plättchen. Wäre das Relais in einer Endlage beim Zusammenbau, läge die eine Zunge dann hinter dem Widerstand und die Funktion wäre nicht gewährleistet.

Nach dem Zusammenbau wurde das Relais erstmal auf 50R und Durchgang geprüft, was erfolgreich war. Natürlich muss jetzt noch der Komplette Test bzgl. Einfügedämpfung und Rückflussdämpfung erfolgen um zu sehen, ob die ganze Sache noch in der Spec ist. Aber da das Relais in der Anwendung im Testset lediglich bis 3GHz arbeiten muss und nicht bis 18GHz, sind die Anforderungen nicht ganz so hoch.

Der danach durchgeführte Test mit Kalibrierung und einem -10dB Abschwächer als DUT ergab die Kurve, die auf dem Titelbild zu sehen ist. Der Kontaktfehler ist definitiv korrekt behoben.




Funktionsweise dieser Relais:


Ein HF Relais muss ja in erster Linie einen definierte Wellenwiderstand haben. Eine koaxiale Leitung erreicht das durch genau berechnete Durchmesser von Aussen- und Innenleiter. Nun kann man sich aber vorstellen, dass es nicht praktikabel ist, ein SPDT Relais mit einer koaxialen Leitungsanordnung zu bauen. Wie soll auch der Innenleiter zwischen zwei Kontakten hin und her bewegt werden wenn er in einem Aussenleiter liegen muss, um die Impedanz zu gewährleisten?
Eine Lösung dieses Problems trägt den Namen "Edgeline". Dabei verzichtet man auf einen rundum geschlossenen Aussenleiter und platziert eine Leitung in Form eines dünnen Streifens zwischen 2 Masseflächen.

Edgeline im Schnitt mit symbolisch eingezeichneten E-Feldlinien



Wie aus dem Bild ersichtlich ist, spielt es für den Wellenwiderstand der Anordnung keine Rolle wie die Leitung nach links oder rechts geschoben oder auch verbogen (bis zu einem gewissen Grad) wird, solange der Abstand zwischen den zwei Masseflächen so bleibt wie er per Design sein soll. Diese Leitungsart eignet sich daher ideal für HF Relais da die Leitung somit unter beibehaltung des Wellenwiderstands zwischen zwei Kontakten (Double-Throw) hin und her gebogen werden kann.
Bei dem hier verwendeten Relais werden allerdings die Kontaktzungen nicht gebogen sondern als Ganzes verschoben. Es gibt beide Bauformen bei HP. Das Prinzip der Leitungsgeometrie ist aber bei beiden gleich.
Laut hpmemory wurde diese Technik für die Anwendung in Netzwerkanalyzern in den späten 60ern entwickelt. Das im Testset verwendete Relais wurde von der grundlegenden Konstruktionsweise her im HP Journal 1977-06 als HP 33311C vorgestellt. (Siehe Artikel "Coaxial Components and Accessories for Broadband Operation to 26.5GHz" in HP Journal 1977-06)
Es handelt sich hier um eine in meinen Augen äußerst elegante Problemlösung.


(C) 2022 Ing. Christoph Baumann, OE2BCL

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